Der Ausfall einer bis zum 27.9.2017 begründeten Darlehensforderung eines wesentlich beteiligten GmbH-Gesellschafters kann nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, wenn der Darlehensausfall nach dem vom Bundesfinanzhof (BFH) gewährten Vertrauensschutz den nachträglichen Anschaffungskosten im Rahmen gewerblicher Einkünfte zuzuordnen ist. Der GmbH-Gesellschafter kann auf diesen Vertrauensschutz nicht verzichten.
Hintergrund: Verkauft ein GmbH-Gesellschafter, der mit mindestens 1 % in den letzten fünf Jahren an der GmbH beteiligt war und die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält, GmbH-Anteile mit Gewinn oder Verlust, führt dies nach dem Gesetz zu Einkünften aus Gewerbebetrieb. Der Verlust oder Gewinn wird nach dem sog. Teileinkünfteverfahren nur zu 60 % berücksichtigt. Auch ein Verlust aus einem Darlehensausfall wird nach der aktuellen Rechtslage sowie nach der bis zum Jahr 2017 geltenden Rechtsprechung hierbei berücksichtigt, und zwar als nachträgliche Anschaffungskosten. Allerdings gilt das Gesetz nur für Veräußerungen oder Aufgaben (einer GmbH-Beteiligung) nach dem 31.7.2019. Für Veräußerungen oder Aufgaben vor diesem Zeitpunkt kann die aktuelle Rechtslage auf Antrag angewendet werden. Wird kein Antrag gestellt, kann der Darlehensausfall aufgrund eines vom BFH im Jahr 2017 gewährten Vertrauensschutzes steuerlich gleichwohl bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb berücksichtigt werden, wenn das Darlehen bis zum 27.9.2017 gewährt worden ist oder bis zum 27.9.2017 eigenkapitalersetzend geworden ist, d.h. von einem Dritten nicht gewährt oder nicht stehengelassen worden wäre; der BFH gewährte diesen Vertrauensschutz, weil er in seinem Urteil aus dem Jahr 2017 seine bisherige Rechtsprechung geändert und Darlehensausfälle eines GmbH-Gesellschafters grundsätzlich nicht mehr steuerlich anerkannt hatte.
Sachverhalt: Der Kläger war zu 80 % an einer GmbH beteiligt. Er gewährte der GmbH im Jahr 2015 zwei Darlehen in Höhe von 150.000 €. Im Jahr 2016 wurde über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet; der Insolvenzverwalter bestätigte, dass der Kläger kein Geld von der GmbH zurückbekommen wird. Der Kläger machte in der Einkommensteuererklärung für 2016 den Darlehensausfall in Höhe von 150.000 € bei der Ermittlung seines Verlustes aus der Aufgabe seiner GmbH-Beteiligung geltend. Das Finanzgericht (FG) erkannte den Darlehensausfall bei den Einkünften aus Kapitalvermögen an und berücksichtigte ihn damit vollständig und nicht nur nach dem Teileinkünfteverfahren zu 60 %. Hiergegen legte das Finanzamt Revision ein.
Entscheidung: Der BFH gab der Revision des Finanzamts statt und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung an das Finanzgericht zurück:
Der Darlehensausfall führt grundsätzlich zu nachträglichen Anschaffungskosten, die bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb zu 60 % zu berücksichtigen sind.
Der Darlehensausfall kann entgegen der Auffassung des FG nicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen berücksichtigt werden, weil die Einkünfte aus Kapitalvermögen nachrangig gegenüber den Einkünften aus Gewerbebetrieb sind.
Zwar gilt die Neuregelung, die einen Darlehensausfall eines wesentlich beteiligten GmbH-Gesellschafters den Einkünften aus Gewerbebetrieb zuordnet, nur für Veräußerungen oder Aufgaben von GmbH-Beteiligungen nach dem 31.7.2019, während die Aufgabe im Streitfall bereits im Jahr 2016 erfolgt ist. Der Kläger hat auch keinen Antrag auf vorzeitige Anwendung der Neuregelung für GmbH-Aufgaben vor dem 1.1.2019 gestellt.
Jedoch greift im Streitfall der vom BFH ausgesprochene Vertrauensschutz, da das Darlehen bis zum 31.7.2019 gewährt worden ist. Der Vertrauensschutz führt zu einer Zuordnung des Darlehensausfalls zu den gewerblichen Einkünften, so dass die Zuordnung zu den Einkünften aus Kapitalvermögen verdrängt wird. Auf den Vertrauensschutz kann der GmbH-Gesellschafter nicht verzichten.
Hinweise: Der BFH hat die Sache an das FG zurückverwiesen, welches nun die Höhe der nachträglichen Anschaffungskosten ermitteln muss. Der Darlehensausfall wird nämlich nur dann mit dem Nennwert bewertet, wenn das Darlehen in der Krise gewährt wurde oder krisenbestimmt war, also auch in der Krise nicht zurückgefordert werden sollte. Sollte das Darlehen hingegen vor dem Kriseneintritt gewährt worden und nicht krisenbestimmt gewesen sein, sondern lediglich in der Krise stehengelassen worden sein, wäre lediglich der gemeine Wert des Darlehens im Zeitpunkt des Kriseneintritts anzusetzen; dies ist häufig ein Wert von unter 10 % des Nennwertes.
Quelle: BFH, Urteil vom 20.2.2024 – IX R 12/23; NWB